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Gelesen: Carambole

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8. Oktober 2013 von

via Dörlemann Verlag
Jens Steiner ist Schweizer, hat einiges studiert und auch schon einen Roman geschrieben - aber mit Carambole gelingt ihm etwas Neues. Der Roman war dieses Jahr auf der Longlist des Deutschen Buchpreises zu finden - und das zu Recht. In 12 Kapiteln wird uns eine Dorfgemeinschaft vor Augen geführt und die komplexe und durchdachte Art des Erzählens führt zu häufigem Blättern, zu verwirrtem Überlegen und vielen Aha-Momenten bei der Lektüre.

Darum geht es

Ein Dorf in dem alles und nichts passiert ist der Schauplatz für 12 Kapitel aus den Perspektiven von 12 Figuren. Die Handlung? Nicht im Vordergrund. Hier geht es um Menschen und um ihre verzweifelte Starre, aus der sie sich so manches Mal nicht befreien können. Nichts passiert, alles passiert.

Das meine ich

Carambole verbindet Gegensätzliches: Eine Vielzahl von Figuren, ein Querschnitt durch die Gesellschaft in Form einer Dorfgemeinschaft trifft auf psychologische Betrachtung. Jedes Kapitel hat einen anderen Erzähler und es unsere Aufgabe als Leser aus dem Gelesenen ein sinnvolles Ganzes zu konstruieren. Genau genommen gibt es in Carambole nicht sehr viel Handlung, denn der Raum des Romans steckt voller Gedanken, voller Überlegungen und voller Verzweiflung dieser Figuren, deren Stimmen wir vernehmen. Da ist der Unbekannte, der die Eltern zweier verfeindeter Brüder in einem Autounfall getötet hat und im Verborgenen bleibt. Da sind drei Jungen, deren Leben bei genauer Betrachtung so facettenreich und unterschiedlich ist, wie man es gar nicht vermutet hätte ob der großen Trägheit, die noch im ersten Kapitel herrscht. Am meisten beeindruckt aber vielleicht der "klandestine Altherrenklub", die "Troika" aus drei Männern, die sich hinter italienischen Namen und Philosophie verschanzen und im Denken zusammengefunden haben.

Allen Figuren gemeinsam ist auch, dass es in ihrem Leben Ereignisse gegeben hat, die zu großer Verzweiflung, zu Resignation, Wut und Trauer geführt haben, aus denen sie sich nicht befreien können - oder wollen. Die Resignation vor dem Leben ist spürbar, sie spiegelt sich in der Zersplitterung des Romanaufbaus und in den kleinen Details der Szenengestaltung. Aber obwohl sie so zentral erscheint, ist sie natürlich nicht das einzig auffindbare Gefühl. Jede der Figuren in Carambole hat ihre Eigenarten, ihre Marotten, die sie auszeichnen und von den anderen unterscheidet. Manchmal eröffnen sich so Einsichten in das Innenleben, die man aus den Handlungen nicht erwartet hätte. Figuren, die bis dahin verwirrt, aggressiv oder desorientiert erschienen stellen sich als Philosophen, Pessimisten, Optimisten, Naturwissenschaftler heraus. Und wir Leser sind wieder erstaunt, blättern zurück, lesen noch einmal und überlegen, ob wir dieser Figur schon einmal begegnet sind. Mit jedem Kapitel fügt sich wieder etwas zusammen und nach dem 12. Kapitel "Aus" sehen wir dieses Schweizer Dorf in vielen bunten Facetten, die sich zu einem stimmigen Gesamtbild verbinden.

Alles in Allem

Dieses Buch hat es sehr verdient auf die Longlist geschafft. Lesen!

Jens Steiner
Carambole
Dörlemann, 2013
224 Seiten


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