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Daniel Kehlmann - F

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13. Juni 2014 von

via Rowohlt
Schon eine ganze Weile lag Kehlmanns Roman auf meinem Stapel und hat darauf gewartet, dass ich endlich bis zu ihm vordringe. Letzte Woche endlich habe ich es auch geschafft und innerhalb von wenigen Tagen war's auch schon wieder vorbei. Kehlmann liest sich eben wie Kehlmann und nicht wie Clemens Meyer, an dessen Als wir träumten ich wochenlang herumlas. Eine einfache Sprache, die in ihrer Einfachheit jedoch bei weitem nicht ungeschickt ist, lässt den Leser geradezu dahingleiten. Die Handlung ist bei genauerer Betrachtung gar nicht so umfangreich - interessant ist stattdessen Kehlmanns Versuch, sie aus mehreren Perspektiven wieder aufzugreifen, noch einmal zu erzählen und so die Verstrickungen zwischen den Figuren offenzulegen und eben auch ihr Schicksal, das vom Handeln anderer abhängig ist.

Die drei Brüder Martin, Ivan und Eric sind interessante Figuren, die in ihrer jeweiligen Persönlichkeit so unterschiedlich sind, dass kaum Langeweile aufkommen kann. Jeder von ihnen kämpft mit seinen eigenen Dämonen, sei es der ewige Zweifel am eigenen Glauben, Paranoia oder ein Doppelleben, dass sich im Fall der Zwillinge Ivan und Eric hier noch in einer weiteren Dimension auftut. Über allem steht der abwesende Vater Arthur Friedland, der Auslöser für die Ereignisse ist. Sie alle verbindet jedoch eines: Sie sind Lügner, sie sind Heuchler und auch Feiglinge.

Trotz allem bleibt F für mich ein distanziertes Buch. Man kann dem Autor kaum etwas vorwerfen, stilistisch ist es sehr gut, wie alles, was Kehlmann schreibt. Und dennoch fehlt mir ein letzter Funken, der einfach nicht überspringen möchte. Alles erscheint so in sich geschlossen und so autark, dass sich ein Leser wie ein Eindringling fühlt. Man steht am Rand des Geschehens, bekommt alles serviert und realisiert die Heftigkeit so mancher Szenen aufgrund ihrer Geschliffenheit erst sehr viel später. Ein wenig mehr Rotz hätte der Sache vielleicht gut getan.

An dieser Stelle noch ein Zitat, dass mir geblieben ist:
Die Lichter der U-Bahn schrumpfen, werden zu einem einzigen Fleck und verlöschen. Die Schönheit braucht keine Kunst, sie braucht auch uns nicht, sie braucht keine Betrachter, im Gegenteil. Gaffende Leute nehmen ihr etwas weg, am hellsten flammt sie, wo keiner sie sieht: weite Landschaften ohne Häuser, die Wolkenspiele des frühen Abends, das verwaschene Rotgrau alter Ziegelmauern, kahle Bäume im Winternebel, Kathedralen, das Abbild der Sonne in einer Ölpfütze, die Spiegeltürme der Insel Manhattan, der Blick aus einem Flguzeugfenster, kurz nachdem man durch die Wolkendecke gestoßen ist, die Hände alter Menschen, das Meer zu jeder Tageszeit und menschenleere U-Bahn-Stationen wie diese - das gelbe Licht, das Zufallsmuster der Zigarettenstummel auf dem Boden, die abblätternden Plakate, noch immer flatternd im Fahrtwind, obwohl der Zug schon lange verschwunden ist.


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